„Sucht ist in unserem Betrieb kein Thema“ – Diesen Satz hören Benjamin Grünbichler und Ludwig Binder von der Suchtberatungsstelle „Neon“ im Gespräch mit Unternehmern immer wieder. Die Realität sieht aber anders aus: Laut aktueller Statistik gelten in jedem Betrieb 15 Prozent der Beschäftigten als suchtgefährdet.
Das neue Netzwerk „NeRo“ will für dieses Thema sensibilisieren. Die Auftaktveranstaltung für Betriebe aus der Region stieß auf breite Resonanz.
Rosenheim – „Neon“ ist eine gemeinnützige Stiftungsgesellschaft, die sich der Prävention und Suchthilfe verschrieben hat. Die Gründung der staatlich anerkannten und geförderten Suchtberatungsstelle erfolgte im Jahr 2010. Zusammengearbeitet wird mit Ärzten, Psychologen, Suchttherapeuten und Sozialpädagogen. Rund 1000 Klienten suchen hier pro Jahr Hilfe und Beratung.
Auch eine ganze Reihe Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren vertrauensvoll zum Thema Sucht an „Neon“ gewandt. Jetzt soll die Suchtprävention in diesem Bereich noch weiter vorangetrieben werden. Neon hat mit „NeRo“ ein neues Netzwerk für die Region aktiviert. Kooperationspartner ist neben dem Wirtschaftlichen Verband in Stadt und Landkreis Rosenheim die AOK-Gesundheitskasse.
Auftakt im „Glückshafen“
Die Auftaktveranstaltung fand in den Räumen des Wirtschaftlichen Verbandes im „Glückshafen“ auf der Loretowiese statt. Eingeladen dafür wurden Unternehmen aus Stadt und Landkreis. Auf dem Programm standen zuerst einmal grundsätzliche aktuelle Informationen rund um das Thema „Sucht“.
Der regelmäßige Alkoholkonsum ist nach den Worten von Benjamin Grünbichler schon seit Jahren rückläufig. Statistisch gesehen fiel dieser Wert von 70 Prozent im Jahr 1976 auf 34 Prozent im Jahr 2011. Eine beunruhigende Entwicklung verzeichnen die beiden Geschäftsführer der Suchtberatungsstelle dagegen im Bereich der Medikamentenabhängigkeit. In Deutschland greifen Schätzungen zufolge derzeit bereits 1,4 bis 1,9 Millionen Menschen zu Medikamenten, um sich aufzuputschen oder zu beruhigen. „Damit sind mehr Menschen von Medikamenten abhängig als von Alkohol“, so Grünbichler.
Viele Unternehmen würden dieses Problem nach wie vor unterschätzen. Dabei habe die „Sucht im Betrieb“ sowohl betriebswirtschaftlich wie auch rechtlich und menschlich negative Folgen. Mitarbeiter mit Suchtmittelkonsum lassen sich Berechnungen zufolge 2,5-mal so häufig krank schreiben wie gesunde Menschen und erbringen nur 75 Prozent der Arbeitsleistung. Außerdem würden sie in Folge ihrer Sucht auch häufiger gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen. Auch auf Innovationsgeist und Motivation wirkt sich nach den Worten der Fachleute der Suchtmittelkonsum hemmend aus. Zusätzlich sei Stress im Team vorprogrammiert.
„Darum ist frühzeitiges Handeln nötig“, steht für die beiden Geschäftsführer von „Neon“ fest. Fakt sei: Je eher man mit einer entsprechenden Behandlung beginne, desto größer sei der Heilungserfolg.
In vielen größeren Betrieben der Region würde man bereits seit vielen Jahren innerbetriebliche Strukturen der Suchtprävention erfolgreich umsetzen. Es gäbe auch schon viele betriebsinterne Ansprechpartner. Ziel von „NeRo“ ist es, dass weitere Betriebe von diesem Erfahrungsschatz profitieren können und bei Bedarfsfall schnelle Unterstützung erhalten.
Neben dem regelmäßigen Informationsaustausch und Wissenstransfer sind auch betriebsübergreifende Fortbildungen und Seminare geplant. Beim nächsten Treffen im Herbst wird ein Fachanwalt für Arbeitsrecht einen Kurzvortrag halten.
Für kleine und mittlere Betriebe
Das kostenlose Angebot von „NeRo“ richtet sich gezielt auch an mittlere und kleine Betriebe. Bei der Auftaktveranstaltung waren aber hauptsächlich größere Unternehmen aus Stadt und Landkreis zu Gast. Ihre Vertreter sprachen zum Thema „Sucht“ auch ganz offen die Situation in ihrem eigenen Betrieb an. „Natürlich ist Sucht auch bei uns im Haus ein Thema“, so der Betriebsratsvorsitzende einer Kunststoff-Firma aus der Region. Es gäbe zwar eine entsprechende Betriebsvereinbarung im Hause, aber: „Geschriebene Worte alleine bringen nichts. Diese Verantwortung muss auch gelebt werden.“
Weitere Informationen gibt es bei Benjamin Grünbichler und Ludwig Binder unter Telefon 08031/3042300.
Quelle: OVB Online